04/2021
Zur Autorin: Eike Ostendorf-Servissoglou ist Germanistin und seit rund 20 Jahren als Redakteurin und freie Autorin tätig. Die Frühpädagogik bildet einen ihrer thematischen Schwerpunkte. Sie lebt und arbeitet in Gerlingen bei Stuttgart.
Neulich sprach ich mit der Frühpädagogin Denise Samuel, die beim Kita-Trägernetzwerk Konzept-e für das Thema Gewaltprävention zuständig ist. Sie berichtete über ihre Arbeit und betonte, wie wichtig hohe Kita-Qualität für eine gelingende Gewaltprävention und damit auch für den Kinderschutz in Kindertagesstätten ist. Das hat mich beeindruckt, und ich habe weiter darüber nachgedacht. Das Ergebnis lesen Sie in diesem Beitrag.
Kinder haben ein verbrieftes Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Den Hintern versohlen, eine Ohrfeige geben oder ein Klaps auf die Finger – das geht nicht. Doch erzieht, wer darauf verzichtet, automatisch gewaltfrei?
Die Frage, was Gewalt eigentlich ist, beantworten Menschen sehr unterschiedlich. Auch „offizielle“ Definitionen weichen stark voneinander ab. Das zeigt: Gewalt ist ein viel-schichtiges Phänomen. Neben die körperliche Gewalt tritt die psychische Gewalt, neben die direkte interpersonelle Gewalt, die indirekte kulturelle oder strukturelle Gewalt. Eine Person anzuschreien und zu demütigen, kann sie genauso schädigen, wie sie zu schlagen. Außerdem erfahren Menschen in der Regel nicht nur Gewalt durch andere Personen, sondern auch durch negative Lebensbedingungen (Strukturen) und ausgrenzende Ideologien, Überzeugungen und Überlieferungen (Kultur).
Die Folgen wiederholter Gewalterfahrungen können gravierend sein: „Kleinkinder reagieren oft mit Verhaltensauffälligkeiten und Entwicklungsproblemen im sozial-emotionalen Bereich“, erklärt Denise Samuel. „Längerfristig zeigen sich vielfach mangelnde Leistungsfähigkeit, Gedächtnisstörungen und unterschiedliche körperliche Beeinträchtigungen. Die Risiken eine Sucht zu entwickeln oder an einer Depression zu erkranken, sind deutlich erhöht.“ Und: Gewalt gebiert Gewalt. „Wer selbst wiederholt Gewalt erfahren musste, nimmt dies ins eigene Verhaltensrepertoire auf und wird oft selbst gewalttätig“, sagt die Fachfrau.
Eine Gesellschaft ohne Gewalt gibt es nicht. Immer wieder werden Menschen übergriffig, um eigene Ziele durchzusetzen, Macht auszuüben, sich auszudrücken, zu schützen und zu wehren. Aggression ist ein Charakteristikum menschlicher Natur. Es ist ein Lernprozess, diese Energien in produktive Bahnen lenken zu können. Kitas können dazu beitragen, dass Kinder lernen, gut mit Gewaltimpulsen bei sich und anderen umzugehen. Und sie können ein Umfeld schaffen, dass Gewaltausbrüchen vorbeugt. Sie können Vorbilder und Lernräume für ein weitgehend gewaltfreies Zusammenleben in der Gemeinschaft sein.
Im Folgenden möchte ich einige Aspekte kurz beleuchten, die zur Gewaltprävention in Kitas beitragen. Die Liste ließe sich sicherlich verlängern. Wichtig ist mir, dass die genannten Punkte sich sowohl auf die Fachkräfte als auch auf die Kinder beziehen. Das bedeutet: Um für Kinder ein gutes, stressreduzierendes Umfeld und gewaltkanalisierende Lernchancen zu schaffen, sind die Erzieher*innen gefragt. Um selbst von einem ebensolchen Arbeitsplatz zu profitieren, sind sie auf die Unterstützung von Kita-Leitung und -Träger angewiesen.
Wer bis hierher gelesen hat, erkennt die aufgeführten Themen sicherlich aus dem Kita-Bildungsplan und den TopKita-Evaluationsbögen wieder. Also eigentlich alles nichts Neues, oder?
Wichtig war mir, mit diesem Beitrag den Zusammenhang zwischen guter Kita-Pädagogik und Gewaltprävention aufzuzeigen. Er soll noch einem deutlich machen, warum es so wichtig ist, die Kita-Qualitätsentwicklung nachhaltig zu verfolgen und immer besser zu werden.
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Bildrechte: Eike Ostendorf-Servissoglou; Zahra Amiri on Unsplash