Große Qualitätsunterschiede bei deutschen Kitas

ein Turm aus bunten Bauklötzen

 

Durch die Kita-Schließungen während der Corona-Pandemie ist die Wichtigkeit der Kitas und deren Bedeutung für die frühkindliche Entwicklung und Bildung stärker in das öffentliche Bewusstsein gelangt. Die Qualität der Einrichtungen ist in Deutschland aber sehr unterschiedlich. Die Träger müssen ihre Verantwortung diesbezüglich annehmen. Um an sich arbeiten zu können, benötigen sie die richtigen Instrumente. 

Die weltweit aufwendigste Langzeitstudie zum Thema, die amerikanische Study of Early Child Care and Youth Development (NICHD), beobachtete mehr als 1.300 Kinder vom Kleinkinderalter bis in die Pubertät hinein. Die Kinder, die bereits früh in gute Krippen gekommen waren, hatten mit viereinhalb Jahren einen größeren Wortschatz und ein besseres Gedächtnis, sie waren kreativer und geschickter. Bei der Einschulung waren sie den Kindern, die in den ersten Jahren bei ihrer Mutter zu Hause geblieben waren, in ihrer geistigen Entwicklung um etwa ein Jahr voraus.

Bei Kindern aus schwierigen sozialen Verhältnissen sind diese Effekte am größten. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung von 2008 zeigt, dass in Deutschland bei Kindern aus benachteiligten Familien die Wahrscheinlichkeit, auf das Gymnasium zu gehen, nach dem Besuch einer guten Krippe um zwei Drittel anstieg.

Auch die Corona-Krise hat uns gezeigt: Kinder brauchen Kinder, Kinder brauchen Kitas. Kinder lernen miteinander und voneinander. Und Kinder lernen von Pädagog*innen. Kinder brauchen für ihre Entwicklung Kontakt mit anderen Kindern, den Tagesrhythmus, die Gemeinschaft in der Kita, die Bezugspersonen sowie die Spiel- und Bewegungsmöglichkeiten. Wichtige Kindheitserfahrungen fehlen ihnen sonst.

Träger sind für Qualität verantwortlich 

Die Träger1 sind für Qualitätssicherung und -entwicklung von Kitas verantwortlich. Und nicht nur das: Alle finanziellen, rechtlichen und pädagogischen Aspekte der Einrichtungen liegen in der Verantwortung und der Kontrolle der Träger. Ob Hygiene, Sicherheit, Essen oder Auswahl des Liedguts – ein Höchstmaß an Professionalisierung ist geboten.

Und der Träger muss die Qualität sicherstellen. Er kann diese Verantwortung nicht auf die Kita-Leitung abwälzen. Das Wohl der Kinder und die Qualität der Einrichtung dürfen nicht allein von der Fähigkeit der jeweiligen Kita-Leitung – gleichermaßen vom Zufall – abhängen.

Stärkere Output-Orientierung notwendig 

Die Steuerung der Qualität muss mit fundierten und standardisierten Instrumenten – durch Transparenz, Evaluation und Beratung – erfolgen. Elternbefragungen, Selbstevaluationen und externe Audits bieten Trägern und Kitas wichtige Ansätze für die Weiterentwicklung ihrer Qualität. Sowohl die Umsetzung als auch die Auswertung der Evaluationen können heute digital stattfinden.

Qualitativ hochwertige Kinderbetreuung ist für jedes Kind wichtig. Alle unsere Kinder haben ein Recht darauf, die bestmögliche Qualität zu erleben. Denn nur so können ungleiche Startchancen ausgeglichen werden. Am Beispiel Partizipation wird deutlich, dass einerseits heute niemand mehr öffentlich die Beteiligung der Kinder in Frage stellen würde, andererseits dürfen Kinder heute in der Kita häufig nicht selbst entscheiden, was sie essen, ob sie aufessen oder ob sie eine Jacke anziehen. Diese sehr persönlichen und körperlichen Entscheidungen werden häufig noch von Erzieher*innen getroffen.

Damit zum Beispiel Partizipation entsprechend der wissenschaftlichen Erkenntnisse und der Bildungs- und Orientierungspläne umgesetzt wird, müssen die Kitas dabei unterstützt werden, ihre Arbeit zu analysieren und einen Qualitätsentwicklungsprozess zu starten.

Ein wichtiges Instrument hierbei sind Zertifizierungen, bei denen speziell ausgebildete Auditoren Rückmeldung zum aktuellen Stand und zu Handlungsfeldern geben. Diese sollten von einem Fremd-Auditor durchgeführt werden. Zertifizierungen dienen als Management- bzw. Steuerungs-Instrument. Sie helfen den Trägern, Qualitätsstandards zu ermitteln, vergleichen zu können und Handlungsbedarfe zu erkennen. Außerdem erhöhen sie die Transparenz für alle Beteiligten.

Eine Forderung daher lautet: Die Bundesländer müssen die interne und externe Evaluation als für alle Kitas verpflichtend in ihre Kita-Gesetze aufnehmen oder zumindest in einem ersten Schritt diese Entwicklung mit Programmen fördern. Die systematische und fachlich begründete Überprüfung und Einschätzung der erreichten Qualität der Kita-Arbeit sollte in einem modernen Bildungssystem selbstverständlich sein. Damit Träger ihrer Verantwortung gerecht werden können.

1 Wir folgen hier der Definition „Der Träger einer Kindertageseinrichtung ist die rechtlich verantwortliche Person oder Personengruppe (Geschäftsführung, Vorstand). Die Person oder Gruppe tritt als Rechtsträger nach außen auf, d.h. sie trägt rechtlich die Verantwortung. Sie haftet für das Gesamtgeschehen in allen betriebenen Kindertageseinrichtungen und in der Trägerverwaltung – unbeschadet der Verantwortung jeder involvierten Mitarbeiterin für eigenes Tun oder Lassen im jeweiligen Aufgabengebiet.“ aus: Bettina Stobbe, „Träger von Kindertagesstätten: Die vernachlässigte Dimension im System zur Qualitätsentwicklung?!“, S. 3. 

Portrait Frau

Zur Autorin: Waltraud Weegmann ist Geschäftsführerin und Inhaberin des Konzept-e Netzwerks, das in Baden-Württemberg zahlreiche Kitas und Schulen betreibt. Sie ist Vorsitzende des Deutschen Kitaverbands. In Stuttgart ist sie Mitglied im IHK-Präsidium und im Jugendhilfe-Ausschuss der Landeshauptstadt. 

 

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