Kita-Träger: Die vernachlässigte Dimension im System zur Qualitätsentwicklung?!

zwei Kinder schauen lachend hinter einem Busch hervor

Nachdem sich in den letzten Jahren die Qualitätsdebatte der Kindertagesbetreuung zunächst auf den Ausbau und die Rahmenbedingungen wie bspw. Personal(-bemessungs-)schlüssel, Öffnungszeiten und Qualifizierung der Fachkräfte konzentrierte, rückte in den letzten Jahren immer stärker die Kita-Leitung als Schlüsselfaktor zur Qualitätsentwicklung der jeweiligen Kindertagesstätte in den Fokus. Sie bildet als eigenständiges Handlungsfeld „Starke Kitaleitung“ im Gute-Kita-Gesetz eine Säule zur bundesweiten Qualitätsentwicklung.

Den Trägern der Kindertageseinrichtungen wird bei der Bestimmung der Stellung der Leitung sowie deren Aufgabenspektrum eine bedeutende Rolle zugemessen. Eine allgemeine Fachdebatte blieb bisher aus, lediglich Forschungsprojekte, z. B. das der TU Dortmund zur Kooperation zwischen Träger und Einrichtung lassen auf eine zukünftige Diskussion hoffen.

Bisher wurden die Träger in ihrer zugeschriebenen Gesamtverantwortung und als Akteur zur Qualitätsentwicklung im System der Kindertagesbetreuung nur wenig in den Blick genommen. Aktuell fällt im Zusammenhang mit der Debatte zur Weiterentwicklung der Kita-Qualität immer häufiger der Begriff der Trägerqualität.

Wer ist gemeint, wenn vom „Träger“ der Einrichtung gesprochen wird?

Die Trägereigenschaft ist nicht an eine bestimmte Rechtsform gebunden, daher können sowohl juristische als auch natürliche Personen oder Kirchen Träger der freien Jugendhilfe sein. Ebenso können Einzelpersonen und privat-gewerbliche Träger Leistungen nach SGB VIII erbringen. Selbstverständlich sind auch Kommunen, kommunale Eigenbetriebe oder Gebietskörperschaften Träger von Kindertageseinrichtungen. Spätestens jetzt muss die Frage sein: Wer ist angesichts der vielfältigen Möglichkeiten gemeint, wenn von „dem Träger“ die Rede ist.

Der (Jugendhilfe-)Träger hat gemäß SGB VIII die Gesamtverantwortung für seine Kindertagesstätte. Er ist neben dem Bau der Kindertagesstätte für den Betrieb seines Sozialunternehmens und die Kosten des Betriebes sowie für Personal, Ausstattung der Räume und des Außenbereichs sowie die Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften zuständig. Der Jugendhilfeträger stellt das Personal ein und ist Arbeitgeber bzw. Dienstherr. Er ist für das pädagogische Konzept der Kita ebenso verantwortlich wie für die alltägliche praktische Erziehungs- und Bildungsarbeit, die durch den Auftrag nach § 22 SGB VIII (Grundsätze der Förderung) definiert ist. Umso bedeutender, dass geklärt ist, wer (und zwar in Person) der/die Verantwortungsträger/in ist. Die Aufgaben und Verantwortungsbereiche eines Trägers ergeben sich nach §§ 45 bis 48a SGB VIII. Die rechtlichen Vorgaben lassen jedoch offen, ob eine einzelne Person, eine Personengruppe oder ein bestellter Vertreter (Geschäftsführer) den Träger bilden.

Wer in der Jugendhilfe den Begriff Träger (einer Einrichtung) verwendet, bezeichnet damit im Alltag meist „den Kopf” einer Organisation oder „die Verwaltung”, nicht selten auch mit einiger Undeutlichkeit beide zusammen. Ist „die Verwaltung” vielleicht gar selbst der Träger? Gerät bei der kurzschlüssigen Gedankenverbindung ‚Träger = Verwaltung = Trägerverwaltung‘ außer Blick, dass jede Mitarbeiterin in einer Organisation der Jugendhilfe zu einem Träger gehört und Verantwortung trägt? Gemeint ist nicht die moralische, sondern die rechtliche Verantwortung. Alle Fachkräfte in der Jugendhilfe tragen eine Haftungsverantwortung für ihr individuelles Tun und Lassen. Träger, so könnte mit einiger Berechtigung gefolgert werden, sind alle Personen, die in einem arbeitsrechtlichen Zusammenhang verbunden sind, vom verantwortlichen ersten Vorsitzenden oder Geschäftsführer bis hin zu den sozialpädagogischen Fachkräften und der ebenfalls verantwortlichen Assistenzkraft, der angestellten Köchin oder Reinigungskraft. (vgl. Diskussionspapier zum Qualitätsrahmen für Träger von Kindertagesstätten in Brandenburg, S.6).

Der oftmals pauschal genutzte Begriff des Trägers ist nicht geeignet, um seine Verantwortung im System der Kindertagesbetreuung deutlich zu machen. Es lohnt eine Differenzierung. Schon allein deshalb, weil mit einem Selbstverständnis Hierarchieebenen angenommen, vermutet oder zum Fakt gemacht werden, möglicherweise allein durch den undifferenzierten Sprachgebrauch. Institutioneller Organisationsaufbau, Kompetenz- und Entscheidungsverteilung – klassische Merkmale der Organisationslehre – könnten wichtige Bausteine für Qualitätsentwicklung sein und müssten sich in der Qualitätsdebatte stärker niederschlagen. Herausforderungen zur Personalentwicklung dürften allein durch Verantwortungsklärung an Schubkraft gewinnen. Der Begriff des Trägers ist dagegen wohl eher ein Sammelbegriff, ähnlich wie die Wissenschaft oder die Praxis.

Welche Funktion hat ein Aufgabenprofil für eine Kita-Leitung an der Schnittstelle zur Trägerorganisation?

Die Kita-Leitung ist heute nach allgemeinem Verständnis der Schlüssel für die Qualität der Einrichtung. Für den Verantwortungsbereich der Kita-Leitung wäre auf der Basis der oben dargestellten Definition unerlässlich, mit ihrer Trägerverwaltung/-vertretung eine Kompetenzklärung im Sinne der Aufgabenzuordnung und Entscheidungsbefugnisse als Grundlage für ein erfolgreiches Zusammenwirken und Hinwirken auf eine gute Kita-Qualität zu erreichen. Wenn Kita-Leiterinnen und -leiter an der Qualität ihrer Kita einen großen Anteil haben, muss für zukünftige Stellen(nach-)besetzungsverfahren viel stärker die Ausgestaltung der Schnittstelle von Leitung und Trägerverwaltung Aufmerksamkeit geschenkt werden. Dies lässt sich auch auf die Personalentwicklung, z. B. bei der Nachwuchsförderung von zukünftigen Leiter:innen, übertragen.

In Brandenburg existiert ein Aufgabenprofil für die Kita-Leitung, welches zuletzt überarbeitet und vom Landes-Kinder- und Jugendausschuss als Empfehlung für alle Träger und Einrichtungen der Kindertagesbetreuung in Brandenburg verabschiedet wurde. Es enthält Vorgaben, wonach Verantwortungs- und Kompetenzbereiche unter Berücksichtigung aller Organisations- bzw. Unternehmensformen von Jugendhilfeträgern zielgenau definiert werden können. Die gültige Empfehlung enthält neben einer Differenzierung von Verantwortungsbereichen die Möglichkeit zur Zuordnung der Aufgabe nach Trägerverwaltungs-, oder Kita-Leitungsbereich. Mittels Selbstanalyse bzw. Festlegung können damit auch grundsätzliche Aussagen zu benötigten Zeitkontingenten für Kita-Leitungen getroffen und auf der Basis der gesetzlichen Regelungen im Umfang bestimmt werden.

Gesetzliche Änderungen

Anforderungen an die Träger und damit (mögliche) Qualitätsaspekte sind gesetzlich höchst zurückhaltend bestimmt. Umso bedeutender ist das gleichrangige Zusammenwirken zwischen Trägervertretung einerseits und pädagogischen Fachkräften in der Einrichtung andererseits. Die zu erwartenden Änderungen der SGB-VIII-Reform im § 45, die erstmalig eine Trägerzuverlässigkeit als Merkmal rechtlich normieren, könnten die Professionalität von Einrichtungsträgern durch erste Organisations- und Qualifikationsanforderungen verbessern, wenn sie sich nicht auf die Nachweisführung zur Einhaltung von Auflagen und betrieblicher Dokumentationspflichten beschränken. Ob allerdings die vorgesehenen Änderungen Auswirkungen auf die jeweilige Qualität der einzelnen Kindertagesstätte haben werden, wird davon abhängen, ob eine Klarheit des Verhältnisses zwischen Trägerverwaltung und Einrichtung besteht.

Fazit:

Ein differenzierter Blick auf die Träger der Kindertagesstätten lohnt sich umso mehr, damit das Verhältnis von Einrichtung (Leitung und Team) zu den Aufgaben und Verantwortungsbereichen der Trägerverwaltung bzw. den Personen, die den Träger vertreten, geklärt ist. Somit kann eine Stärkung des Systems von innen heraus erreicht werden. Selbstverpflichtende Qualitätskriterien für die Trägerverwaltung könnten im System einen Qualitätsschub begünstigen und das Angebot für Kinder bzw. deren Familien nachhaltig verbessern. Ebenfalls sind Qualitätskriterien für die Trägerverwaltung geeignet, einen für die Kindertagesbetreuung gültigen Qualitätsrahmen i. S. des Modellansatzes des „kompetenten Systems“ zu ergänzen.

 

Zur Autorin: Bettina Stobbe, Vorstandsmitglied pfv und Referatsleiterin im Jugendministerium Brandenburg. In ihrer Funktion ist sie zuständig für die Weiterentwicklung der Trägerqualität für Kindertagesstätten und Einrichtungen der erzieherischen Hilfen.

 

Quellen:

Sozialgesetzbuch Achtes Buch. Kinder und Jugendhilfe (SGB VIII)
Bock-Famulla, K., Lange, J. (2013). Länderreport Frühkindliche Bildungssysteme. Ländermonitor:
Transparenz schaffen – Governance stärken. Verlag Bertelsmann Stiftung.
Möller, J.C. (2015). Kita Leitung im Spannungsfeld von Betriebswirtschaft und Pädagogik. In Kalicki, B
/ Wolff-Marting, C. (Hrsg.) Qualität in aller Munde. Themen, Positionen, Perspektiven in der kindheitspädagogischen Debatte (pfv)
Prott R. (2018). Ein Qualitätsrahmen für Träger von Kindertageseinrichtungen im Land Brandenburg.
Hrsg. Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg. https://mbjs.brandenburg.de/media_fast/6288/qualitaetsrahmen_fuer_kita-traeger.pdf
Landes- Kinder und Jugendausschuss des Landes Brandenburg (2018). Empfehlungen zum Aufgabenprofil von Kita-Leitung.

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