„Das KiTa-Qualitätsgesetz bleibt hinter den Möglichkeiten zurück“

ein Kind pustet Seifenblasen

Die Qualität in der Kindertagesbetreuung soll weiter steigen. Dafür wurde Ende 2022 das KiTa-Qualitätsgesetz (Fortsetzung des Gute-KiTa-Gesetzes) verabschiedet. Clemens M. Weegmann von TopKita begrüßt das, äußert jedoch auch Kritik.

Herr Weegmann, Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren intensiv mit Kita-Qualitätsentwicklung und haben die Initiative TopKita ins Leben gerufen. Können Sie uns zunächst kurz erklären, was das neue KiTa-Qualitätsgesetz beinhaltet?

Clemens M. Weegmann: Der Bund wird den Ländern in den Jahren 2023 und 2024 insgesamt vier Milliarden Euro für die Weiterentwicklung der Kita-Qualität zur Verfügung stellen. Das Kita-Qualitätsgesetz sieht vor, dass die Länder über 50 Prozent der Mittel in folgende Handlungsfelder investieren:

  • Bedarfsgerechtes Angebot
  • Fachkraft-Kind-Schlüssel
  • Gewinnung und Sicherung von qualifizierten Fachkräften
  • Starke Leitung
  • Sprachliche Bildung
  • Maßnahmen zur kindlichen Entwicklung, Gesundheit, Ernährung und Bewegung
  • Stärkung der Kindertagespflege

Einige Bundesländern hatten Mittel aus dem vorausgegangenen Gute-Kita-Gesetz in die Reduktion von Elternbeiträgen gesteckt. Im Rahmen des neuen Gesetzes ist eine solche Verwendung nicht mehr zulässig. Bereits getroffenen Maßnahmen zur Beitragsreduzierung dürfen jedoch fortgesetzt werden – insofern die Länder auch die oben genannten Handlungsfelder wie vorgesehen berücksichtigen.

Aktuell schließen die Länder mit dem Bund Verträge, in denen sie die von ihnen geplanten Maßnahmen im Rahmen des Kita-Qualitätsgesetzes festschreiben.

 

Clemens Weegmann lächelt
Zum Autor: Clemens M.Weegmann ist Gesellschafter von TopKita: Über uns | TopKita

Die gesetzten Schwerpunkte des Kita-Qualitätsgesetzes stoßen in der Branche sicherlich auf Zustimmung. Oder wie sehen Sie das?

Clemens M. Weegmann: Ja, durchaus. Die Themenbereiche liegen auf der Hand, wenn wir uns die Herausforderungen in der frühkindlichen Bildung ansehen. Und es ist sehr wichtig, Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, um sie anzugehen. Es ist auch richtig, dass sich solche Maßnahmen mit hoher Wahrscheinlichkeit positiv auf die Kita-Qualität auswirken werden. Für eine systematische Qualitätsentwicklung benötigen wir jedoch mehr. Wir müssen anhand transparenter Kriterienkataloge überprüfen, wie gut die Einrichtungen die Bildungspläne umsetzen. Ohne eine solche Evaluation ist die Kita-Qualitätsentwicklung ein Blindflug.

Und diese Evaluationen müssen einen Bereich in den Fokus nehmen, den die Handlungsfelder des Gesetzes außer Acht lassen, der aber zentral für die Bildungsqualität in Kitas ist: die pädagogische Prozessqualität. Es geht dabei um Fragen nach der Qualität der Beziehung zwischen Kindern und Fachkräften, darum, wie sie miteinander kommunizieren und interagieren und darum, inwieweit es den Fachkräften gelingt, aus Alltagsroutinen Bildungsanlässe zu machen.

Wo stehen deutsche Kindertagesstätten aktuell in punkto Qualität?

Clemens M. Weegmann: Diese Frage trifft einen wunden Punkt. Wir wissen es nicht. Die letzte groß angelegte Untersuchung, die Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit, kurz NUBBEK, ist über zehn Jahre alt. Die Ergebnisse zeigten, dass die Kitas in Deutschland im Schnitt nur eine mittlere Qualität erreichen. Ein Fazit der Studienautor:innen lautete damals: „Die Qualität pädagogischer Prozesse in den Einrichtungen ist unbefriedigend und sollte verbessert werden.“

Würde die Untersuchung heute wiederholt, würde ich in Bezug auf die pädagogischen Prozesse nicht mit einem besseren Ergebnis rechnen. Denn die Qualitätsentwicklungsmaßnahmen, die in der Zwischenzeit durchgeführt wurden, stellten die Strukturqualität in den Fokus. Es ging, wie jetzt auch wieder, zum Beispiel um den Fachkraft-Kind-Schlüssel, um Bildungspläne oder spezielle Förderprogramme. Das alles ist wichtig, deckt aber nicht die pädagogische Interaktion ab. Und das ist wesentlich dafür, was beim Kind ankommt. Kitas bzw. Träger könnten natürlich von sich aus ihre pädagogische Prozessqualität systematisch evaluieren. Leider tun das nur wenige. Die, die es tun, verbessern sich jedoch erheblich – und sie haben ihre Qualität stets im Blick.

Was sollten aus Ihrer Sicht die nächsten Schritte für die Kita-Qualitätsentwicklung in Deutschland sein?

Clemens M. Weegmann: Katharina Kluczinok, Professorin an der Freien Universität Berlin, und Stefan Faas, Professor an der pädagogischen Hochschule in Schwäbisch Gmünd, forderten jüngst in einem Beitrag in der Wochenzeitung Die Zeit eine neue NUBBEK-Studie. Dieser Forderung schließe ich mich an. Dann wüssten wir, wie sich die unterschiedlichen Maßnahmen ausgewirkt haben, und wo es noch blinde Flecken gibt.

Außerdem sollten wir die im Paragrafen 79a des achten Sozialgesetzbuchs festgeschriebene Pflicht zur Qualitätsentwicklung für Kita-Träger genauer formulieren und erweitern. Alle öffentlich geförderten Einrichtungen sollten verpflichtend turnusmäßig eine Selbsteinschätzung vornehmen, eine Eltern-Befragung durchführen und sich einer Überprüfung durch externe Fachleute stellen müssen. Dieser Dreiklang aus Fremd- und Selbsteinschätzungen liefert einen Qualitäts-Statusbericht, der eine fundierte Grundlage für gezielte Verbesserungsmaßnahmen bildet. Wie erfolgreich die Maßnahmen waren, zeigt dann nach ein bis zwei Jahren die nächste Überprüfung.

So können wir einrichtungsbezogen genau dort ansetzen, wo es qualitative Herausforderungen gibt. Und nur auf diese Weise wird es gelingen, den wichtigen Faktor der pädagogischen Prozessqualität bundesweit in die Kita-Qualitätsentwicklung einzubeziehen – davon bin ich fest überzeugt.

Dass die Bundesregierung plant, zum Ende der Legislaturperiode ein Qualitätsentwicklungsgesetz mit bundesweit einheitlichen Standards zu verabschieden, ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Gerne bringen wir uns in Debatten zu diesem Thema ein.

Vielen Dank für das interessante Gespräch, Herr Weegmann.

Links:

Bildrechte: Herr C.M. Weegmann